17. Dezember 2006

Lisa ist eine Schlampe...

Warum? Keine Ahnung. Aber seit meiner letzten Fahrt in der Trambahn weiß ich alles über Lisa. Gott sei Dank habe ich dieses Luder nie kennen gelernt. Woher ich das dann weiß? Ok, da muss ich jetzt etwas ausholen. Freitagabend in München und mein Kollege von der Sales-Abteilung hat mich gebeten, mit acht norwegischen Journalisten und potentiellen Kunden zum Essen zu gehen, weil er einen anderen Termin hat, den er nicht verschieben kann. Kein Problem, ich mag Skandinavier und habe ’eh nichts Besseres vor. Ich verbringe also einen sehr angenehmen Abend in der Altstadt und befinde mich auf dem Weg nach Hause. Die Trambahn fährt direkt vom Isartor zum Romanplatz, Fahrzeit 23 Minuten, und da Abende mit Skandinaviern meistens nicht ohne Alkohol abgehen, hatte ich mich entschlossen, das Auto daheim zu lassen. Während ich also so in der Trambahn sitze, ziehe ich meinen neuen Terry Pratchett aus der Tasche und beginne zu lesen.

Nach einer halben Seite höre ich plötzlich einen von diesen ätzenden Jamba-Klingeltönen und sehe wie der Typ, der schräg vor mir sitzt sein Moto aufklappt. Nachdem ich mich schon immer gewundert habe, was für Leute sich für 4,99 € pro Monat so einen Scheiß runterladen, schaue ich mir den jungen Mann genauer an. Eigentlich unauffällig, Jeans, Pumas, Kaufhausfrisör-Haarschnitt, eine halblange grünliche H&M Jacke und einen Pullover, der aufgrund der Farbauswahl und des Musters so aussieht, als hätte ihn seine farbenblinde Oma selbst gestrickt. So ein Teil, dass man sich einfach nicht wegzuwerfen traut, schon aus Angst, die Müllabfuhr würde nie wieder die Tonnen leeren. Er redet mit einer Aisha, wobei er den schönen Namen so ausspricht als würde man ihn Eischa schreiben, und er redet über Lisa. Scheinbar hat Aisha Empfangsprobleme, was er wiederum durch Lautstärke zu kompensieren versucht. An Lesen ist nicht mehr zu denken. Für einen Augenblick überlege ich, ob ich ihm das Prinzip der Modulation, also der Umwandlung von akustischen Schwingungen in elektrische Impulse, erklären soll und dass das nicht unbedingt lautstärkeabhängig ist, lasse es dann aber lieber sein.

Dann erfahre ich alles über Lisa. Sie ist eine Schlampe, weil sie es mit Mike getrieben hat, könnte auch ein Maik gewesen sein, falls er aus der Uckermark stammt, das war aber nicht rauszuhören. Während ich trotzdem versuche weiter zu lesen höre ich mir Details über Lisas Monatszyklus und, nach Ansicht des jungen Mannes, auf diesen nicht ganz abgestimmte sexuelle Begierden an. Offensichtlich erhält er von Aisha auf seine Feststellung: „ist ja eklig, weißt du?“ nicht das erwartete Feedback und beginnt deshalb die gute Aisha nach ihren sexuellen Vorlieben zu befragen. Nachdem dieser Versuch scheinbar auch ergebnislos verläuft, konzentriert er sich aber schnell wieder auf Lisa. Sie trägt ein Schmetterlingstattoo unterhalb der Gürtellinie und eine Intimfrisur mit dem anschaulichen Namen Irokese (ist ja eklig, weißt du?). Während ich noch an die guten alten Dr. Sommer Zeiten denke und die Frage, ob man vom Küssen schwanger werden könne, erfahre ich weitere Einzelheiten über Lisas Brüste, vor allem über die linke, die etwas kleiner zu sein scheint als ihr rechtes Pendant. Na ja, Mike hat’s scheinbar nicht gestört und einen gewissen, nicht näher bezeichneten anderen Wichser auch nicht. Lisa hat auch ein Muttermal auf dem Rücken, etwa drei Wirbel oberhalb des Steißbeins, leicht nach links versetzt, und dazu ein ziemlich Großes. Inzwischen wäre ich wohl in der Lage, Lisa unter hundert nackten Frauen eindeutig zu identifizieren.

Ich frage mich nur, was der Typ an dieser Frau gefunden hat, nach all den ekligen Makeln und Gewohnheiten, die sie offensichtlich hat. Ich frage mich auch, was Aisha an diesem jungen Mann findet, da sie sich den Mist ja seit mittlerweile 17 Minuten anhört (wir sind an der Haltestelle Donnersberger Straße). Ebenso wenig kann ich Lisa verstehen. Wie kann sich eine junge Frau mit einem Typen einlassen, der solche Pullover trägt? Am Steubenplatz wird es Aisha dann scheinbar doch zuviel, sie beendet das Gespräch, sehr zum Unverständnis des jungen Mannes, und ich wende mich wieder meinem Buch zu. Kaum zehn Zeilen später, krächzt dieses Jambavieh schon wieder. Lisa ist dran und hat wohl dieselben Empfangsprobleme. Im gleichen Moment biegt die Straßenbahn zum Romanplatz ein und ich bin erlöst. Das letzte was ich höre, nachdem ich die Tram bereits verlassen habe, ist die Aussage: „Eischa ist eine Schlampe, weißt du?“ Auf dem Heimweg überlege ich mir, was ich wohl bisher falsch gemacht habe. Leider habe ich keine Oma mehr, die mir einen Pullover stricken könnte. Hoffentlich wird mir so schnell keine Lisa vorgestellt, sonst werde ich vermutlich knallrot.

9. Dezember 2006

Mr. Wrong and friends #1

Freunde der Nacht,

obwohl mir inzwischen der Stoff ausgegangen ist, weil mich die Dating-Portale langweilen und ich meine Profile gelöscht habe, möchte ich meine treuen Leser nicht enttäuschen und mache weiter. Danke für eure Mails.

Stellt sich also die Frage, womit ich weitermache – mit Dating-Geschichten natürlich, nur nicht mit meinen eigenen, sondern mit denen von drei meiner besten Freunde. Diese Jungs liefern Stoff für ein ganzes Buch, das wurde mir kürzlich bei einem gemeinsamen Besuch unseres Stammlokals im Münchener Westend klar. Keine Ahnung warum ich nicht früher drauf gekommen bin. Dazwischen werde ich locker weitere Geschichten zum selben Thema einstreuen. Die haben aber dann eine andere Überschrift und werden nicht fortlaufend nummeriert.

Ok, dann will ich euch die Protagonisten meines Blogs mal kurz vorstellen:

Peter, 45 Jahre alt, Jurist, Möchte-gern-Lebemann mit abstrusen Vorstellungen von gutem Sex, seit nunmehr fast acht Jahren glücklich geschieden und in diversen Beziehungen nie wieder glücklich geworden. Peter ist etwas ängstlich, weshalb er es auch nie riskiert hat, sich als Anwalt selbstständig zu machen, sondern lieber eine Festanstellung bei einer staatlichen Dienststelle angenommen hat, um als Beamter Karriere zu machen. Sein Lebensmotto: Egal wie schlimm die Situation auch ist, sie bietet immer noch genug Spielraum, um sich weiter zu verschlechtern. Um dem vorzubeugen sammelt er alles, was er an Daten bekommen kann, fein säuberlich in seinem PDA und kann auf Knopfdruck reproduzieren, wo er im Urlaub 1994 in Meran gegessen hat, wie der Wirt hieß und welche Weine es in der Getränkekarte gab.

Konny, 46 Jahre, PR-Manager, der kopf-gesteuerte Intellektuelle, interessiert sich für alles und gilt als wandelndes Lexikon, solange er sich nicht daran erinnern muss, wo sein Autoschlüssel, seine Lesebrille oder das Handy liegen. Er kann nicht mal in Liebesangelegenheiten den Verstand abschalten und vermasselt so alle seine Chancen. Konny ist nach 15 Jahren Martyrium frisch geschieden. Dabei war seine Ehe eigentlich ein Unfall, weil seine Ex ihm nach dem Kennenlernen einfach nicht genug Zeit zum Nachdenken ließ, sondern ihn quasi en passant geschlagen hat. Konny verliebt sich bevorzugt in die falschen Frauen und ist deshalb seit geraumer Zeit solo, die letzten Jahre seiner Ehe mitgezählt. Er wird deshalb von seinen Freunden gerne als Mr. Monk bezeichnet. Das hasst er zwar fast noch mehr als die kindische Abkürzung Konny, aber irgendwie interessiert das keinen.

Michael, 45 Jahre, Journalist, kennt jeden, kommt überall rein und ist ungeheuer wichtig. Er ist grundsätzlich immer erreichbar, hat ständig sein Handy am Ohr oder den Organizer auf dem Tisch, kennt alle Hotspots der Stadt, jeden Herrenausstatter und jeden neuen Trend. Michael hat zwei Scheidungen hinter sich und erzählt am liebsten wie ihn seine beiden Ehefrauen abgezockt haben. Nach der zweiten Scheidung hatte er sogar ein paar Tage mit dem Gedanken gespielt, seinen Porsche zu verkaufen und aus seinem schicken Schwabinger Dachterrassen-Apartment nach Moosach umzuziehen, aber sein Anwalt und sein Steuerberater konnten das dann doch noch verhindern. Michael stürzt sich von einer Beziehung in die nächste und ist abwechselnd total verliebt oder spielt mit dem Gedanken schwul zu werden.

Und jetzt zum Abend, an dem Idee zu diesem Blog geboren wurde. Ich hatte wie üblich unseren Stammtisch am Fenster bestellt. Es muss dieser Tisch sein, denn Michael kennt jemand, der im Gebäude gegenüber arbeitet und hat deshalb die Zugangsdaten zu dessen Firmen WLAN, das allerdings nur diesem speziellen Platz mit ausreichender Signalstärke ankommt. Peter nimmt wie üblich neben Michael Platz, weil er es nicht erträgt, mit dem Rücken zur Eingangstür zu sitzen. Außerdem kann er von dort aus direkt auf die Bar schauen und Blickkontakt zu Katja, unserer Lieblingsbedienung aufnehmen, die mittwochs immer dort arbeitet. Katja kennt meinen Blog und begrüßt uns wie gewohnt mit: „Ah Mr. Wrong and friends, grüß euch!“ Sie bringt uns ohne weitere Aufforderung unsere Getränke, zwei dunkle Weißbier, ein Helles und eine Cola light, nachdem sie sich durch einen kurzen Blick aus dem Fenster davon überzeugt hat, dass Michaels Porsche in der Feuerwehrzufahrt zum Firmengebäude gegenüber steht. Peter himmelt sie an. Er ist fest davon überzeugt, dass ihr neuer Freund, den wir vor ein paar Wochen durch Zufall kennen gelernt haben, überhaupt nicht zu ihr passt. Zur Überraschung aller, teilt er uns das mit, sobald sie zur Bar zurückgegangen ist. Konny wirkt wie so häufig in letzter Zeit ein wenig abwesend und versucht wohl gerade wieder eine mathematische Struktur im Muster der Tischdecke zu identifizieren, wobei er sich gedankenverloren eine Zigarette anzündet. „Ich denke, du hast aufgehört“, raunzt ihn Peter, ein militanter Nichtraucher, sofort an. „Ja, hab’ ich auch“, antwortet Konny, schaut für einen Augenblick auf die Zigarette zwischen seinen Fingern und hängt weiter seinen Gedanken nach. Und dann kommt das Gespräch aufs Thema Nr. 1. In diesem Moment wusste ich plötzlich wie mein Blog weitergehen wird...