23. Oktober 2007

Lauter Herbst

Wenn ihr einmal im Baumarkt steht und hört, dass ein Mann in Latzhose und Bomberjacke mit einem benzinbetriebenen Gartengerät unterm Arm den Angestellten nicht nach dem Preis, sondern nach der Lautstärke in Dezibel fragt, wundert euch nicht. Die nächste Frage heißt in der Regel: „Gibt’s noch etwas Lauteres? 120 dB müssten es schon sein“, woraufhin ein strahlender Angestellter ein chromglänzendes Monster aus einem Regal zieht und stolz darauf hinweist, dass dies das absolute High-Tech-Profi-Spitzenmodell sei, mit 12 PS und voll-elektronischer Startautomatik. Den Schalldämpfer und die Dämmmatten könne er ja wie immer selber ausbauen. Ihr wurdet soeben Zeuge der Einkaufszeremonie eines deutschen Hausmeisters.

Der Winter ist eine gute Zeit für den deutschen Hausmeister. Da kann er um 5 Uhr in der Früh mit seinem Minibulldozer und vormontierter Schneeschaufel die Gehwegplatten vom Bürgersteig kratzen. Ja er ist schon sehr früh fleißig, das können alle hören. Anschließend werden drei bis vier Lagen Split flächendeckend mit Hilfe eines automatischen Dosiersystems geräuschvoll auf der geräumten Fläche verteilt. Die kann man dann alle paar schneefreien Tage nämlich mit einer Kehrmaschine wieder beseitigen, natürlich um dieselbe Uhrzeit.

Der Frühling fängt ziemlich langweilig an. Ein wenig Split abkehren und drei mal in der Woche die diversen Müllbehälter mit dem Minibulldozer einzeln aus der Tiefgarage zerren, natürlich wieder morgens um 5 Uhr, um sie dann geleert abends gegen 9 Uhr wieder nach unten zu ziehen, dieses Mal zusammengehängt, weil das beim runterfahren schöner scheppert, nachdem sie ja jetzt leer sind. So ab Mai kommen dann die ersten zaghaften Rasenmäh- und Heckenschneidübungen.

Der Sommer eignet sich durchgängig zum Lärm produzieren. Besonders beliebt ist das Abmähen von 20 m² Rasenflächen mit einem Rasentraktor, mindestens dreimal pro Woche, oder das Schneiden der im letzten Jahr gepflanzten Hecke mit einer Motorheckenschere. Für Äste mit mehr als 15 mm Durchmesser wird auch gerne eine Benzinkettensäge zu Hilfe genommen. Der Abend bietet sich dann zum Häckseln der mittags abgeschnittenen Heckenteile an, bevor die Motorpumpe neben dem Brunnen angeworfen wird, um den frisch geschnittenen Rasen kurzfristig in eine Seenlandschaft zu verwandeln.

Aber die mit Abstand schönste Jahreszeit für deutsche Hausmeister ist der Herbst. Kurz vor 12 Uhr mittags versammeln sie sich vor ihren Grundstücken, bewaffnet mit Laubgebläsen und bereiten sich darauf vor, über die Mittagsruhe der Anwohner herzufallen wie weiland die Türken über Wien. Und dann wird auf Kommando Laub geblasen, gnadenlos bis zum Nachbargrundstück getrieben und dort vom mit laufendem Gebläse wartenden Kollegen übernommen. Das Ritual findet täglich statt, solange noch ein einziges Blatt an einem Baum hängt, der sich nicht notwendigerweise auf dem eigenen Grundstück befinden muss. Wetterunabhängig, auch bei strömendem Regen oder Windstärke 12, betreiben die Dezibel-Junkies zwanghaft, einem nicht beherrschbaren Trieb gehorchend ihre akustische Umweltverschmutzung. Das alles geschieht bevorzugt zwischen 12 und 15 Uhr, zu einer Zeit also, in der sich ansonsten liebe Omis bei der Polizei über spielende Kinder beklagen und der Nachbar angezeigt wird, weil er beim Abwaschen zu laut mit den Töpfen klappert. Aber das ist das Revier des deutschen Hausmeisters. Und wenn sich doch mal jemand beschwert, wendet er sich um, mit dem Gebläse drohend auf den Störenfried zeigend, und deutet mit einer Bewegung der freien Hand in Richtung der gehörschutzbewehrten Ohren an, dass er nichts versteht. Der so Bedrohte zuckt kurz zusammen und zieht sich zurück. Weiß er doch, dass er bald wieder jemand braucht, der die Heizventile gängig macht und die Heizkörper entlüftet. Es ist ja schließlich schon Herbst, und wenn schon nicht lau, dann wenigstens laut.