Wenn ihr einmal im Baumarkt steht und hört, dass ein Mann in Latzhose und Bomberjacke mit einem benzinbetriebenen Gartengerät unterm Arm den Angestellten nicht nach dem Preis, sondern nach der Lautstärke in Dezibel fragt, wundert euch nicht. Die nächste Frage heißt in der Regel: „Gibt’s noch etwas Lauteres? 120 dB müssten es schon sein“, woraufhin ein strahlender Angestellter ein chromglänzendes Monster aus einem Regal zieht und stolz darauf hinweist, dass dies das absolute High-Tech-Profi-Spitzenmodell sei, mit 12 PS und voll-elektronischer Startautomatik. Den Schalldämpfer und die Dämmmatten könne er ja wie immer selber ausbauen. Ihr wurdet soeben Zeuge der Einkaufszeremonie eines deutschen Hausmeisters.
Der Winter ist eine gute Zeit für den deutschen Hausmeister. Da kann er um 5 Uhr in der Früh mit seinem Minibulldozer und vormontierter Schneeschaufel die Gehwegplatten vom Bürgersteig kratzen. Ja er ist schon sehr früh fleißig, das können alle hören. Anschließend werden drei bis vier Lagen Split flächendeckend mit Hilfe eines automatischen Dosiersystems geräuschvoll auf der geräumten Fläche verteilt. Die kann man dann alle paar schneefreien Tage nämlich mit einer Kehrmaschine wieder beseitigen, natürlich um dieselbe Uhrzeit.
Der Frühling fängt ziemlich langweilig an. Ein wenig Split abkehren und drei mal in der Woche die diversen Müllbehälter mit dem Minibulldozer einzeln aus der Tiefgarage zerren, natürlich wieder morgens um 5 Uhr, um sie dann geleert abends gegen 9 Uhr wieder nach unten zu ziehen, dieses Mal zusammengehängt, weil das beim runterfahren schöner scheppert, nachdem sie ja jetzt leer sind. So ab Mai kommen dann die ersten zaghaften Rasenmäh- und Heckenschneidübungen.
Der Sommer eignet sich durchgängig zum Lärm produzieren. Besonders beliebt ist das Abmähen von 20 m² Rasenflächen mit einem Rasentraktor, mindestens dreimal pro Woche, oder das Schneiden der im letzten Jahr gepflanzten Hecke mit einer Motorheckenschere. Für Äste mit mehr als 15 mm Durchmesser wird auch gerne eine Benzinkettensäge zu Hilfe genommen. Der Abend bietet sich dann zum Häckseln der mittags abgeschnittenen Heckenteile an, bevor die Motorpumpe neben dem Brunnen angeworfen wird, um den frisch geschnittenen Rasen kurzfristig in eine Seenlandschaft zu verwandeln.
Aber die mit Abstand schönste Jahreszeit für deutsche Hausmeister ist der Herbst. Kurz vor 12 Uhr mittags versammeln sie sich vor ihren Grundstücken, bewaffnet mit Laubgebläsen und bereiten sich darauf vor, über die Mittagsruhe der Anwohner herzufallen wie weiland die Türken über Wien. Und dann wird auf Kommando Laub geblasen, gnadenlos bis zum Nachbargrundstück getrieben und dort vom mit laufendem Gebläse wartenden Kollegen übernommen. Das Ritual findet täglich statt, solange noch ein einziges Blatt an einem Baum hängt, der sich nicht notwendigerweise auf dem eigenen Grundstück befinden muss. Wetterunabhängig, auch bei strömendem Regen oder Windstärke 12, betreiben die Dezibel-Junkies zwanghaft, einem nicht beherrschbaren Trieb gehorchend ihre akustische Umweltverschmutzung. Das alles geschieht bevorzugt zwischen 12 und 15 Uhr, zu einer Zeit also, in der sich ansonsten liebe Omis bei der Polizei über spielende Kinder beklagen und der Nachbar angezeigt wird, weil er beim Abwaschen zu laut mit den Töpfen klappert. Aber das ist das Revier des deutschen Hausmeisters. Und wenn sich doch mal jemand beschwert, wendet er sich um, mit dem Gebläse drohend auf den Störenfried zeigend, und deutet mit einer Bewegung der freien Hand in Richtung der gehörschutzbewehrten Ohren an, dass er nichts versteht. Der so Bedrohte zuckt kurz zusammen und zieht sich zurück. Weiß er doch, dass er bald wieder jemand braucht, der die Heizventile gängig macht und die Heizkörper entlüftet. Es ist ja schließlich schon Herbst, und wenn schon nicht lau, dann wenigstens laut.
23. Oktober 2007
6. August 2007
Mr. Wrong and Friends #4
Noch während Julia sich fertig machte kamen ihr die ersten Zweifel. Die Beziehung mit Thomas steckte ihr noch immer in den Knochen, obwohl das jetzt auch schon fast ein Jahr zurück lag. Es war zu viel kaputt gegangen, um es einfach so wegzustecken. Klar, ihre Freundin und Kollegin Laura hatte es natürlich schon vorher gewusst und sie gewarnt.
„Lass die Finger von dem Typen, der ist nichts für dich. Er wird dir nur wehtun.“
Und jetzt ein Date mit einem Mann, den sie erst am Abend vorher online kennen gelernt hatte. Ausgerechnet bei einer Afterwork Party. Das war so gar nicht ihre Welt. In der Nacht war es echt nett, mit ihm zu chatten, er wirkte schüchtern, fast etwas ängstlich. Aber am nächsten Morgen war er wie ausgewechselt und wenn sich nicht Laura an ihren Rechner gesetzt und weitergemacht hätte, wäre die Unterhaltung schnell zu Ende gewesen. Laura war komplett anders als Julia. Sie genoss das Leben in vollen Zügen und nahm die Typen einfach nicht ernst genug, um sich von ihnen verletzen zu lassen. Da war schon eher das Gegenteil der Fall. Auf jeden Fall hatte sie beschlossen, dass dieser Mann Julia im Moment gut tun würde und ein Date ausgemacht.
„Der Typ bringt dich mal auf andere Gedanken, der scheint ganz witzig zu sein. Außerdem musst du mal wieder unter Leute, basta. Wenn man in deinem Alter nachts nicht schlafen kann und im Internet rumsurfen muss, wird es höchste Zeit. Du brauchst dich ja jetzt wirklich nicht zu verstecken.“
Laura war ein recht dominanter Typ und ließ keine Widerrede zu.
„Und wenn der Typ der letzte Arsch ist?“
„Dann lässt du ihn sitzen und fährst nach Hause.“
„Ich weiß ja gar nicht was so ab geht auf so ’ner Afterwork Party.“
„Gott, stell dich nicht so zickig an! Das siehst du, wenn du da bist.“
„Ich habe auch gar nichts zum Anziehen.“
„Ich leihe dir was, Standard-Outfit, kleines Schwarzes, da kannst du nichts verkehrt machen und ein paar Schuhe, die ihn von den Socken hauen. Wenn er da nicht anspringt, vergiss’ es auf der Stelle!“
Und so kam es, dass Julia am Abend mit einem ihrer Meinung nach völlig unpassenden Outfit in der Straßenbahn saß und Richtung Innenstadt fuhr. Sie hatte kurz überlegt, das Auto zu nehmen, sich dann aber angesichts der Parkplatzsituation in der Innenstadt doch für die öffentlichen Verkehrsmittel entschieden.
Peter wartet vor der Weinhandlung und schaute sich vorsichtig um.
„Hallo Herr Kessler, Sie auch hier? Kaufen Sie Wein oder gehen Sie zur Afterwork Party?“
Er schnellte herum. ‚Gott, auch das noch, diese Zicke von Justitiarin aus dem 2. Stock und noch drei andere Leute vom Amt. Wenn die ihn mit Julia sehen, gibt es morgen im Flurfunk wieder eine Menge zu berichten.’
„Nein, nein, ich warte nur auf, äh, einige Bekannte, wir, äh, wollten zum Essen gehen. Wir wussten gar nicht, äh, dass hier heute eine Veranstaltung ist.“
„Wie jeden Donnerstag, Herr Kessler, Sie gehen wohl selten weg. Na dann, viel Spaß noch. Ach ja, sehr interessante Krawatte, die Sie heute tragen.“
Peter hasste Sie, schon die süffisante Bemerkung über die Krawatte brachte ihn auf die Palme. Er versuchte herauszufinden, wo die vier sich hinsetzen, hatte sie aber im Getümmel schnell verloren.
Als er sich umdrehte sah er Julia am Eingang stehen und Michael hatte Recht behalten, er erkannte sie sofort. Sie sah wirklich toll aus in dem schwarzen Kleid und den silberfarbenen Pumps mit dem schlanken hohen Absatz. Trotzdem wirkte sie irgendwie ein wenig verloren. Sie fühlte sich nicht wohl in dem Kleid und den Schuhen, die nicht ihr gehörten, zupfte das Kleid in Form, obwohl es perfekt saß und schob mit dem Daumen die BH-Träger wieder zurück unter die Träger des Kleides. Das kleine Gucci-Täschchen, dass ihr Laura ebenfalls überlassen hatte, hielt sie fest an sich gepresst. Aber wie die meisten Jungs nahm Peter diese Signale nicht wahr, er fand, sie sah heiß aus und marschierte entschlossen auf sie zu. ‚Mein Gott, was mache ich hier, ich mache mich doch nur zum Trottel’, dachte Julia und wollte sich gerade umdrehen und gehen, als sie den Typen mit dem unsicheren Lächeln direkt auf sich zukommen sah. Er sah nett aus, anders als sie sich ihn vorgestellt hatte. Groß, schlank, gepflegt, volle Haare, hatte sich gut gehalten für seine 45 Jahre – nur die Krawatte war unmöglich, aber das kann frau ja ändern.
„Julia? Hallo, ich bin Peter, du siehst ja noch viel besser aus als auf dem Foto“,
war das tollkühnste was Peter im Moment herausbrachte. Dafür hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. ‚Mensch, was machst du, selten dämlicher Spruch, reduzierst sie auf Äußerlichkeiten, gleich am Anfang, du Depp. Sag ihr was Persönliches, was Ausgefallenes, etwas womit sie nicht rechnet, aber was bloß’. All die schönen Sprüche, die er sich nach intensivem Google-Studium extra für diesen Augenblick zurechtgelegt hatte, waren urplötzlich weg und das einzige was ihm spontan einfiel war:
„Tolles Kleid, steht dir gut.“
Danach folgten ein verlegenes Hüsteln und eine lange Pause. Julia gewann ihr Selbstvertrauen zurück und antwortete schließlich:
„Danke, das klingt mir sehr nach dem Peter, mit dem ich gestern Abend gechattet habe. Wer war bloß der Typ von heute morgen?“
Dabei lächelte sie ihn an und sah ihm in die Augen. Peter wurde rot, sein Verstand setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus und er antwortete, bevor sein Gehirn ihn daran hindern konnte:
„Das war wirklich nicht ich, das war mein Freund Michael.“
Dann sah er ihren überraschten Blick, dachte darüber nach was er gerade gesagt hatte, wurde noch verlegener und stammelte:
„Aber das war keine Absicht, er wusste nicht, dass wir schon nachts miteinander gesprochen haben, äh, ich meine geschrieben und außerdem, kennt er genug…nein…ach Mensch, ich würde dir das so gerne erklären, aber hier ist es so laut und so voll. Also, du magst das hier, ich eigentlich auch…nein…nicht wirklich…ach, ich glaub ich hab’s versaut.“
Julia sah ihn prüfend an, bemerkte die Verzweiflung und begann zu lachen.
„Du, ich muss dir auch was gestehen. Lass uns doch irgendwo hingehen, wo man in Ruhe miteinander reden kann. Ich glaube, wir haben hier beide nichts zu suchen, zumindest nicht heute.“
Sie nahm entschlossen seinen Arm, hakte sich ein und zog ihn Richtung Ausgang.
Peter folgte willenlos. Ihm war das alles ziemlich peinlich und er war froh, wieder aus der Halle heraus zu kommen.
„Wo gehen wir hin“, fragte Julia, „ich kenne nicht so viel hier in der Gegend.“
„Magst du was essen?“
„Eigentlich nicht, vielleicht können wir irgendwo ein Glas Wein trinken.“
Nachdem Peter auch nichts einfiel und er keine Lust hatte, noch weitere Arbeitskollegen zu treffen, schlug er die Stammkneipe im Westend vor.
„Ich habe mein Auto hier in der Nähe, na ja, ein Stückchen müssen wir schon gehen, kein Parkplatz frei gewesen. Geht das mit den Schuhen?“
Peter hatte bemerkt, dass Julia bereits zweimal leicht umgeknickt war und sich gerade noch an seinem Arm festhalten konnte. Die Schuhe sahen wirklich gut aus, aber selbst Peter hatte mittlerweile bemerkt, dass es offensichtlich nicht ihr normales Outfit war.
„Du das geht schon, die sind neu und noch nicht richtig eingelaufen“, log Julia, „ich bin ja froh, dass du ein Auto da hast und ich nicht wieder mit den Dingern in die Straßenbahn muss.“
Den Rest des Weges unterhielten sie sich über dies und jenes, und einmal legte Peter sogar seinen Arm um ihre Taille, nachdem sie mal wieder kurz neben ihm abgetaucht war und innerlich ihre Freundin verfluchte, die ihr diese Schuhe aufgeschwatzt hatte. Im Westend angekommen, sah er erleichtert, dass Michaels Porsche nicht in der Feuerwehrzufahrt stand. Die beiden hätten ihm jetzt nicht so recht ins Konzept gepasst, wobei er sich eingestehen musste, dass er eigentlich schon längst kein Konzept mehr hatte. Julia gefiel ihm wirklich - nicht nur äußerlich - und das machte ihn noch unsicherer als er sowieso schon war. Er parkte sein Auto wagemutig auf dem Stammparkplatz seines Freundes.
„Das ist eine Feuerwehrzufahrt“, sagte Julia, „könnte teuer werden“.
„Ach da parke ich meistens, ist noch nie was passiert abends. Außerdem bist du mir das wert. Wir wollen doch nicht wieder so einen Gewaltmarsch machen.“
Peter schaute verlegen, aber Julia lächelte nur. ‚Der Typ ist süß’, dachte sie, ‚wieso läuft so was frei rum? Hm, warten wir mal ab wie sich das weiter entwickelt.’
Als sie das Lokal betraten, war der Stammtisch besetzt. Michael und Konny saßen dort. Michael hatte ein Weißbier vor sich stehen, das heißt er war ohne Auto unterwegs. Peter hoffte, dass sie ihn nicht sofort sehen würden und steuerte einen Tisch am anderen Ende des Raumes an. Heute wollte er alleine sein mit Julia, allerdings war es unmöglich mit ihr an seiner Seite, unauffällig ein Lokal zu betreten. Als er sah, dass Michael aufsprang, verfluchte er die Idee, ausgerechnet hierher gegangen zu sein. Aber Konny hielt Michael am Arm fest und grinste.
„Lass die beiden, die haben sich bestimmt viel zu erzählen, da stören wir nur.“
Michael schaute noch mal rüber, sah Peters panischen Blick und setzte sich wieder hin.
„Hast Recht, wir machen einen Stellungswechsel, wenn wir ausgetrunken haben, sonst ist er den ganzen Abend nervös.“
„Das ist er sowieso, glaub mir“.
Konny lachte, sie stießen miteinander an und winkten der Bedienung zum Zahlen.
Peter zog erleichtert den Stuhl ein Stück zurück und bot Julia einen Platz an.
Möchtest du hier sitzen?“ fragte er höflich.
„Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich lieber auf der anderen Seite sitzen.“
Dieses Mal war es Julia, die verlegen lachte als sie gestand, ungern mit dem Rücken zum Lokal und zur Tür zu sitzen. Obwohl es Peter durchaus etwas ausmachte, überließ er ihr bereitwillig seinen Platz. So saßen sie sich gegenüber und erzählten sich, was am Morgen passiert war. Peter war begeistert von Julia und ließ sie den ganzen Abend nicht mehr aus den Augen, vergaß darüber sogar, sich alle paar Minuten umzudrehen. Er war so fasziniert von dieser Frau, dass er nicht einmal die Polizeistreife bemerkte, die mit eingeschaltetem Blaulicht vor dem Lokal stand und einem in der Feuerwehrzufahrt geparkten Auto ein Ticket unter den Scheibenwischer klemmte.
„Lass die Finger von dem Typen, der ist nichts für dich. Er wird dir nur wehtun.“
Und jetzt ein Date mit einem Mann, den sie erst am Abend vorher online kennen gelernt hatte. Ausgerechnet bei einer Afterwork Party. Das war so gar nicht ihre Welt. In der Nacht war es echt nett, mit ihm zu chatten, er wirkte schüchtern, fast etwas ängstlich. Aber am nächsten Morgen war er wie ausgewechselt und wenn sich nicht Laura an ihren Rechner gesetzt und weitergemacht hätte, wäre die Unterhaltung schnell zu Ende gewesen. Laura war komplett anders als Julia. Sie genoss das Leben in vollen Zügen und nahm die Typen einfach nicht ernst genug, um sich von ihnen verletzen zu lassen. Da war schon eher das Gegenteil der Fall. Auf jeden Fall hatte sie beschlossen, dass dieser Mann Julia im Moment gut tun würde und ein Date ausgemacht.
„Der Typ bringt dich mal auf andere Gedanken, der scheint ganz witzig zu sein. Außerdem musst du mal wieder unter Leute, basta. Wenn man in deinem Alter nachts nicht schlafen kann und im Internet rumsurfen muss, wird es höchste Zeit. Du brauchst dich ja jetzt wirklich nicht zu verstecken.“
Laura war ein recht dominanter Typ und ließ keine Widerrede zu.
„Und wenn der Typ der letzte Arsch ist?“
„Dann lässt du ihn sitzen und fährst nach Hause.“
„Ich weiß ja gar nicht was so ab geht auf so ’ner Afterwork Party.“
„Gott, stell dich nicht so zickig an! Das siehst du, wenn du da bist.“
„Ich habe auch gar nichts zum Anziehen.“
„Ich leihe dir was, Standard-Outfit, kleines Schwarzes, da kannst du nichts verkehrt machen und ein paar Schuhe, die ihn von den Socken hauen. Wenn er da nicht anspringt, vergiss’ es auf der Stelle!“
Und so kam es, dass Julia am Abend mit einem ihrer Meinung nach völlig unpassenden Outfit in der Straßenbahn saß und Richtung Innenstadt fuhr. Sie hatte kurz überlegt, das Auto zu nehmen, sich dann aber angesichts der Parkplatzsituation in der Innenstadt doch für die öffentlichen Verkehrsmittel entschieden.
Peter wartet vor der Weinhandlung und schaute sich vorsichtig um.
„Hallo Herr Kessler, Sie auch hier? Kaufen Sie Wein oder gehen Sie zur Afterwork Party?“
Er schnellte herum. ‚Gott, auch das noch, diese Zicke von Justitiarin aus dem 2. Stock und noch drei andere Leute vom Amt. Wenn die ihn mit Julia sehen, gibt es morgen im Flurfunk wieder eine Menge zu berichten.’
„Nein, nein, ich warte nur auf, äh, einige Bekannte, wir, äh, wollten zum Essen gehen. Wir wussten gar nicht, äh, dass hier heute eine Veranstaltung ist.“
„Wie jeden Donnerstag, Herr Kessler, Sie gehen wohl selten weg. Na dann, viel Spaß noch. Ach ja, sehr interessante Krawatte, die Sie heute tragen.“
Peter hasste Sie, schon die süffisante Bemerkung über die Krawatte brachte ihn auf die Palme. Er versuchte herauszufinden, wo die vier sich hinsetzen, hatte sie aber im Getümmel schnell verloren.
Als er sich umdrehte sah er Julia am Eingang stehen und Michael hatte Recht behalten, er erkannte sie sofort. Sie sah wirklich toll aus in dem schwarzen Kleid und den silberfarbenen Pumps mit dem schlanken hohen Absatz. Trotzdem wirkte sie irgendwie ein wenig verloren. Sie fühlte sich nicht wohl in dem Kleid und den Schuhen, die nicht ihr gehörten, zupfte das Kleid in Form, obwohl es perfekt saß und schob mit dem Daumen die BH-Träger wieder zurück unter die Träger des Kleides. Das kleine Gucci-Täschchen, dass ihr Laura ebenfalls überlassen hatte, hielt sie fest an sich gepresst. Aber wie die meisten Jungs nahm Peter diese Signale nicht wahr, er fand, sie sah heiß aus und marschierte entschlossen auf sie zu. ‚Mein Gott, was mache ich hier, ich mache mich doch nur zum Trottel’, dachte Julia und wollte sich gerade umdrehen und gehen, als sie den Typen mit dem unsicheren Lächeln direkt auf sich zukommen sah. Er sah nett aus, anders als sie sich ihn vorgestellt hatte. Groß, schlank, gepflegt, volle Haare, hatte sich gut gehalten für seine 45 Jahre – nur die Krawatte war unmöglich, aber das kann frau ja ändern.
„Julia? Hallo, ich bin Peter, du siehst ja noch viel besser aus als auf dem Foto“,
war das tollkühnste was Peter im Moment herausbrachte. Dafür hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. ‚Mensch, was machst du, selten dämlicher Spruch, reduzierst sie auf Äußerlichkeiten, gleich am Anfang, du Depp. Sag ihr was Persönliches, was Ausgefallenes, etwas womit sie nicht rechnet, aber was bloß’. All die schönen Sprüche, die er sich nach intensivem Google-Studium extra für diesen Augenblick zurechtgelegt hatte, waren urplötzlich weg und das einzige was ihm spontan einfiel war:
„Tolles Kleid, steht dir gut.“
Danach folgten ein verlegenes Hüsteln und eine lange Pause. Julia gewann ihr Selbstvertrauen zurück und antwortete schließlich:
„Danke, das klingt mir sehr nach dem Peter, mit dem ich gestern Abend gechattet habe. Wer war bloß der Typ von heute morgen?“
Dabei lächelte sie ihn an und sah ihm in die Augen. Peter wurde rot, sein Verstand setzte für den Bruchteil einer Sekunde aus und er antwortete, bevor sein Gehirn ihn daran hindern konnte:
„Das war wirklich nicht ich, das war mein Freund Michael.“
Dann sah er ihren überraschten Blick, dachte darüber nach was er gerade gesagt hatte, wurde noch verlegener und stammelte:
„Aber das war keine Absicht, er wusste nicht, dass wir schon nachts miteinander gesprochen haben, äh, ich meine geschrieben und außerdem, kennt er genug…nein…ach Mensch, ich würde dir das so gerne erklären, aber hier ist es so laut und so voll. Also, du magst das hier, ich eigentlich auch…nein…nicht wirklich…ach, ich glaub ich hab’s versaut.“
Julia sah ihn prüfend an, bemerkte die Verzweiflung und begann zu lachen.
„Du, ich muss dir auch was gestehen. Lass uns doch irgendwo hingehen, wo man in Ruhe miteinander reden kann. Ich glaube, wir haben hier beide nichts zu suchen, zumindest nicht heute.“
Sie nahm entschlossen seinen Arm, hakte sich ein und zog ihn Richtung Ausgang.
Peter folgte willenlos. Ihm war das alles ziemlich peinlich und er war froh, wieder aus der Halle heraus zu kommen.
„Wo gehen wir hin“, fragte Julia, „ich kenne nicht so viel hier in der Gegend.“
„Magst du was essen?“
„Eigentlich nicht, vielleicht können wir irgendwo ein Glas Wein trinken.“
Nachdem Peter auch nichts einfiel und er keine Lust hatte, noch weitere Arbeitskollegen zu treffen, schlug er die Stammkneipe im Westend vor.
„Ich habe mein Auto hier in der Nähe, na ja, ein Stückchen müssen wir schon gehen, kein Parkplatz frei gewesen. Geht das mit den Schuhen?“
Peter hatte bemerkt, dass Julia bereits zweimal leicht umgeknickt war und sich gerade noch an seinem Arm festhalten konnte. Die Schuhe sahen wirklich gut aus, aber selbst Peter hatte mittlerweile bemerkt, dass es offensichtlich nicht ihr normales Outfit war.
„Du das geht schon, die sind neu und noch nicht richtig eingelaufen“, log Julia, „ich bin ja froh, dass du ein Auto da hast und ich nicht wieder mit den Dingern in die Straßenbahn muss.“
Den Rest des Weges unterhielten sie sich über dies und jenes, und einmal legte Peter sogar seinen Arm um ihre Taille, nachdem sie mal wieder kurz neben ihm abgetaucht war und innerlich ihre Freundin verfluchte, die ihr diese Schuhe aufgeschwatzt hatte. Im Westend angekommen, sah er erleichtert, dass Michaels Porsche nicht in der Feuerwehrzufahrt stand. Die beiden hätten ihm jetzt nicht so recht ins Konzept gepasst, wobei er sich eingestehen musste, dass er eigentlich schon längst kein Konzept mehr hatte. Julia gefiel ihm wirklich - nicht nur äußerlich - und das machte ihn noch unsicherer als er sowieso schon war. Er parkte sein Auto wagemutig auf dem Stammparkplatz seines Freundes.
„Das ist eine Feuerwehrzufahrt“, sagte Julia, „könnte teuer werden“.
„Ach da parke ich meistens, ist noch nie was passiert abends. Außerdem bist du mir das wert. Wir wollen doch nicht wieder so einen Gewaltmarsch machen.“
Peter schaute verlegen, aber Julia lächelte nur. ‚Der Typ ist süß’, dachte sie, ‚wieso läuft so was frei rum? Hm, warten wir mal ab wie sich das weiter entwickelt.’
Als sie das Lokal betraten, war der Stammtisch besetzt. Michael und Konny saßen dort. Michael hatte ein Weißbier vor sich stehen, das heißt er war ohne Auto unterwegs. Peter hoffte, dass sie ihn nicht sofort sehen würden und steuerte einen Tisch am anderen Ende des Raumes an. Heute wollte er alleine sein mit Julia, allerdings war es unmöglich mit ihr an seiner Seite, unauffällig ein Lokal zu betreten. Als er sah, dass Michael aufsprang, verfluchte er die Idee, ausgerechnet hierher gegangen zu sein. Aber Konny hielt Michael am Arm fest und grinste.
„Lass die beiden, die haben sich bestimmt viel zu erzählen, da stören wir nur.“
Michael schaute noch mal rüber, sah Peters panischen Blick und setzte sich wieder hin.
„Hast Recht, wir machen einen Stellungswechsel, wenn wir ausgetrunken haben, sonst ist er den ganzen Abend nervös.“
„Das ist er sowieso, glaub mir“.
Konny lachte, sie stießen miteinander an und winkten der Bedienung zum Zahlen.
Peter zog erleichtert den Stuhl ein Stück zurück und bot Julia einen Platz an.
Möchtest du hier sitzen?“ fragte er höflich.
„Wenn es dir nichts ausmacht, möchte ich lieber auf der anderen Seite sitzen.“
Dieses Mal war es Julia, die verlegen lachte als sie gestand, ungern mit dem Rücken zum Lokal und zur Tür zu sitzen. Obwohl es Peter durchaus etwas ausmachte, überließ er ihr bereitwillig seinen Platz. So saßen sie sich gegenüber und erzählten sich, was am Morgen passiert war. Peter war begeistert von Julia und ließ sie den ganzen Abend nicht mehr aus den Augen, vergaß darüber sogar, sich alle paar Minuten umzudrehen. Er war so fasziniert von dieser Frau, dass er nicht einmal die Polizeistreife bemerkte, die mit eingeschaltetem Blaulicht vor dem Lokal stand und einem in der Feuerwehrzufahrt geparkten Auto ein Ticket unter den Scheibenwischer klemmte.
24. Juli 2007
Mr. Wrong and Friends #3
Auf die dunkle Nacht folgte ein heller, sonniger Frühsommertag. Die Wolken hatten sich verzogen und schon während des Chats war die Sonne aufgegangen und Peter hatte tief in die Romantikkiste gegriffen, Goethe zitiert und sogar noch einen Gedichtband von John Keats bemüht, den ihm Konny mal geschenkt hatte. Peter war – für seine Begriffe – zur Höchstform aufgelaufen und fühlte sich trotz der kurzen Nacht total aufgekratzt. Kurz nach sieben hatte sich Miss Mystery, deren richtigen Namen er immer noch nicht kannte, verabschiedet, weil sie sich für die Arbeit fertig machen musste. Aber man wollte sich am Abend unbedingt wieder zum Chat treffen. So stand Peter jetzt fröhlich pfeifend vor dem Badezimmerspiegel und rasierte sich während seine Gedanken immer noch bei Miss Mystery waren. Sie hatte ihm im Chat versichert, dass das im Portal wirklich ihr Foto sei, und er legte sich schon mal die eine oder andere Strategie für die Fortsetzung am Abend zurecht. Sollte er sie heute schon fragen, ob sie mit ihm ausgehen würde oder lieber weiter auf Schüchtern machen. Er hatte den Eindruck, gerade das hätte sie besonders gereizt.
‚Wenn ich zulange warte, geht’s mir am Ende noch wie Konny und sie verliert die Geduld. Wenn ich sie mit der Dampfwalze überfahre wie Michael, ist sie eingeschnappt.’
Also entschloss er sich, erst mal den Gesprächsverlauf abzuwarten und spontan zu reagieren – wobei Peter und Spontaneität ungefähr so gut zusammenpassen wie Kühe und Ballett.
Nachdem er sich geistesabwesend soviel Rasierwasser ins Gesicht geklatscht hatte, dass seine Nachbarin den im 3. Stock gemeinsam bestiegenen Fahrstuhl bereits im 2. Stock verließ, um zu Fuß zur Tiefgarage zu gehen, machte er sich auf den Weg in die Arbeit. Gegen 11 Uhr rief Michael an:
„Hi, denkst du dran, dass wir uns heute Mittag beim Italiener treffen wollten, ich muss euch eine irre Story erzählen.“
Peter lächelte selig ins Telefon und meinte nur:
„Geht klar, ich auch Jungs, ich auch.“
Pünktlich um halb eins liefen die drei bei Alfredo ein und setzten sich an ihren Stammtisch, eine Eckbank am hinteren Ende des Lokals, die Peter Rückendeckung mit freier Sicht zur Tür und Michael den Ausblick auf seinen auf dem Gehsteig geparkten Porsche gewährte. Michael und Konny quatschten gleich drauflos, während Peter auf die übliche Frage wartete. Konny stellte sie schließlich:
„Was macht ihr eigentlich heute Abend?“
Michael und Peter antworteten gleichzeitig:
„Du, ich habe heute Abend keine Zeit, eine Frau, weißt du.“
Konny schaute die beiden verwundert an und meinte nur:
„Aha, hab’ ich irgendwas verpasst?“
Peter holte tief Luft und wollte gerade loslegen, als Alfredo mit drei Alibi-Karten unter dem Arm ankam, die er ihnen aber wie üblich gar nicht erst auf den Tisch legte. Dafür fing er sofort an, die in absolut unleserlicher Schrift mit gelber Kreide auf eine grüne Ramazotti-Werbetafel gekritzelte Tageskarte vorzubeten und gleich ein Menü vorzuschlagen. Sehr zu Alfredos Überraschung stimmten die drei sofort zu.
Peter und Michael begannen beide wieder absolut synchron zu sprechen:
„Ihr glaubt nicht was mir heute passiert ist.“
Peter holte wieder tief Luft, aber Michael war wie üblich schneller:
„Da mach’ ich heute früh doch schnell mal mein Skype auf und habe sofort so ’ne Banktussi an der Backe. Keine Ahnung wie die auf meine Kontaktliste geraten ist. Kaut mir ein Ohr ab, wegen letzter Nacht, will wissen, ob ich müde bin. Heißt Julia. Ich habe natürlich sofort gefragt, ob ich ihr Romeo seien darf. Irgendwie hat sie’s nicht gleich kapiert und erzählt mir was von wegen ich sei so anders plötzlich, so frech und dass sie mich gerne kennen lernen möchte. Ich lach mich kaputt, aber ein geiles Foto, ich sag’s euch. Keine Ahnung mit wem die mich verwechselt, egal, heute Abend gehen wir zum Afterwork in die Schrannenhalle.“
Peter saß noch immer mit offenem Mund da, während Michael munter weiter machte.
„Erst war sie ja ein bisschen verstockt, aber später ist sie dann ganz locker geworden. Du Konny, sie hat am Anfang irgendwas von so ’nem komischen englischen Dichter gefaselt, so ein Romantikgeschwafel, nicht mein Ding. Beauty is truth... oder so ähnlich, du kennst dich bestimmt aus?“
Konnys Antwort kam wie üblich auf Knopfdruck:
„John Keats, englischer Romantiker, Anfang 19. Jahrhundert, ist nur knapp 26 Jahre alt geworden. Solltest du mal lesen, ich kann’s dir gerne ausleihen, oder frag Peter, dem habe ich mal einen Band geschenkt, hat bestimmt noch nicht reingeschaut bis heute. Aber deine Kleine hat Geschmack.“
Konny kannte Michaels Geschichten zur Genüge und fragte nun Peter, was er denn heute Abend vorhabe.
„Hey Alter, was ist denn mir dir los, du bist ja weiß wie Alfredos Wand? Hast du ein Gespenst gesehen oder geht’s dir nicht gut?“
Peter begann zu stottern und war froh als Rosa, Alfredos älteste Tochter, mit dem Essen kam. Normalerweise schaute Peter ihr immer mit einem leicht schmachtenden Blick hinterher, bis sie wieder in der Küche verschwunden war, aber heute vertiefte er sich sofort in seinen Teller und begann die Linguine in sich reinzustopfen, als gäbe es morgen nichts mehr zu essen. Obwohl Konny neugierig war, ließ er Peter zuerst fertig essen. Er kannte seinen Freund und wusste, dass er ihn jetzt nicht löchern durfte. Der würde schon von selbst anfangen, spätestens, wenn der Teller leer ist. Und so war es dann auch. Peter begann langsam und stockend zu erzählen und Konny und Michael hörten gespannt zu, mit leicht aufgeblähten Backen und gesenktem Blick. Sie vermieden es, sich anzuschauen, weil sonst beide vor Lachen sofort auf dem Boden gelegen hätten. Als Peter fertig war brüllten beide los und während sich das ganze Lokal zu ihnen umdrehte, schlug Michael dem vollkommen irritierten Peter kräftig auf die Schulter und sagte:
„Hey Alter, ist doch Ehrensache – du gehst hin! Aber lege dir bitte einen eigenen Skype-Account zu.“
Dann wurde er wieder vom Lachen überwältigt und Peter konnte schließlich auch nicht anders und lachte mit.
Die nächste halbe Stunde wurde Peter mit allen wichtigen Details des Münchener Nachtlebens vertraut gemacht. Was zieht man an, welche Drinks bestellt man, wo parkt man am besten, wie verhält man sich auf einer After Work Party, lauter Dinge von denen weder Peter noch Konny auch nur die geringste Vorstellung hatten, aber Michael war party-, lifestyle- und flirterprobt. Und so kam es, dass Peter am Abend mit einer seiner Meinung nach völlig unpassenden Krawatte durchs Gärtnerplatzviertel fuhr um festzustellen, dass Michaels Stammparkplätze allesamt belegt waren oder sich in Halteverbotszonen befanden, was wiederum die hinter ihm Fahrenden nicht abhielt, trotzdem dort zu parken. Er bedauerte, nicht wie üblich mit der Straßenbahn in die Innenstadt gefahren zu sein, aber Michel hatte ihm versichert, das sei ein absolutes No-go und keine Frau aus der Szene stünde auf Taxi – oder noch schlimmer – Straßenbahn-Heimfahrten.
„Taxi bedeutet, dass man bei ihr übernachten will, was zwar durchaus wahr seinen kann, aber nicht unbedingt den gewünschten Effekt erzielt. Straßenbahn heißt, keine Kohle haben oder sich als verkappter Öko outen und das funktioniert nun mal bei den Mädels dort nicht.“
Er hatte ihm auch einige Tipps mit auf den Weg gegeben, wie er sich verhalten soll, wenn er Julia zum ersten Mal gegenüber steht, hatte ja schließlich eine knappe Stunde mit ihr gechattet und war voll im Bild. Nachdem Peter endlich einen regulären Parkplatz beim Europäischen Patentamt, nur einen knappen Kilometer entfernt, gefunden hatte, machte er sich auf den Weg in die Schrannenhalle. Natürlich hatte sich Michael bei der Weinhandlung Vinobel verabredet und nichts weiter ausgemacht.
„Wenn du so aussiehst wie auf dem Foto, finde ich dich überall in der Schrannenhalle.“
Typisch Michael, irgendwo bewunderungswürdig, aber heute hasste Peter ihn mal wieder.
‚Wenn ich zulange warte, geht’s mir am Ende noch wie Konny und sie verliert die Geduld. Wenn ich sie mit der Dampfwalze überfahre wie Michael, ist sie eingeschnappt.’
Also entschloss er sich, erst mal den Gesprächsverlauf abzuwarten und spontan zu reagieren – wobei Peter und Spontaneität ungefähr so gut zusammenpassen wie Kühe und Ballett.
Nachdem er sich geistesabwesend soviel Rasierwasser ins Gesicht geklatscht hatte, dass seine Nachbarin den im 3. Stock gemeinsam bestiegenen Fahrstuhl bereits im 2. Stock verließ, um zu Fuß zur Tiefgarage zu gehen, machte er sich auf den Weg in die Arbeit. Gegen 11 Uhr rief Michael an:
„Hi, denkst du dran, dass wir uns heute Mittag beim Italiener treffen wollten, ich muss euch eine irre Story erzählen.“
Peter lächelte selig ins Telefon und meinte nur:
„Geht klar, ich auch Jungs, ich auch.“
Pünktlich um halb eins liefen die drei bei Alfredo ein und setzten sich an ihren Stammtisch, eine Eckbank am hinteren Ende des Lokals, die Peter Rückendeckung mit freier Sicht zur Tür und Michael den Ausblick auf seinen auf dem Gehsteig geparkten Porsche gewährte. Michael und Konny quatschten gleich drauflos, während Peter auf die übliche Frage wartete. Konny stellte sie schließlich:
„Was macht ihr eigentlich heute Abend?“
Michael und Peter antworteten gleichzeitig:
„Du, ich habe heute Abend keine Zeit, eine Frau, weißt du.“
Konny schaute die beiden verwundert an und meinte nur:
„Aha, hab’ ich irgendwas verpasst?“
Peter holte tief Luft und wollte gerade loslegen, als Alfredo mit drei Alibi-Karten unter dem Arm ankam, die er ihnen aber wie üblich gar nicht erst auf den Tisch legte. Dafür fing er sofort an, die in absolut unleserlicher Schrift mit gelber Kreide auf eine grüne Ramazotti-Werbetafel gekritzelte Tageskarte vorzubeten und gleich ein Menü vorzuschlagen. Sehr zu Alfredos Überraschung stimmten die drei sofort zu.
Peter und Michael begannen beide wieder absolut synchron zu sprechen:
„Ihr glaubt nicht was mir heute passiert ist.“
Peter holte wieder tief Luft, aber Michael war wie üblich schneller:
„Da mach’ ich heute früh doch schnell mal mein Skype auf und habe sofort so ’ne Banktussi an der Backe. Keine Ahnung wie die auf meine Kontaktliste geraten ist. Kaut mir ein Ohr ab, wegen letzter Nacht, will wissen, ob ich müde bin. Heißt Julia. Ich habe natürlich sofort gefragt, ob ich ihr Romeo seien darf. Irgendwie hat sie’s nicht gleich kapiert und erzählt mir was von wegen ich sei so anders plötzlich, so frech und dass sie mich gerne kennen lernen möchte. Ich lach mich kaputt, aber ein geiles Foto, ich sag’s euch. Keine Ahnung mit wem die mich verwechselt, egal, heute Abend gehen wir zum Afterwork in die Schrannenhalle.“
Peter saß noch immer mit offenem Mund da, während Michael munter weiter machte.
„Erst war sie ja ein bisschen verstockt, aber später ist sie dann ganz locker geworden. Du Konny, sie hat am Anfang irgendwas von so ’nem komischen englischen Dichter gefaselt, so ein Romantikgeschwafel, nicht mein Ding. Beauty is truth... oder so ähnlich, du kennst dich bestimmt aus?“
Konnys Antwort kam wie üblich auf Knopfdruck:
„John Keats, englischer Romantiker, Anfang 19. Jahrhundert, ist nur knapp 26 Jahre alt geworden. Solltest du mal lesen, ich kann’s dir gerne ausleihen, oder frag Peter, dem habe ich mal einen Band geschenkt, hat bestimmt noch nicht reingeschaut bis heute. Aber deine Kleine hat Geschmack.“
Konny kannte Michaels Geschichten zur Genüge und fragte nun Peter, was er denn heute Abend vorhabe.
„Hey Alter, was ist denn mir dir los, du bist ja weiß wie Alfredos Wand? Hast du ein Gespenst gesehen oder geht’s dir nicht gut?“
Peter begann zu stottern und war froh als Rosa, Alfredos älteste Tochter, mit dem Essen kam. Normalerweise schaute Peter ihr immer mit einem leicht schmachtenden Blick hinterher, bis sie wieder in der Küche verschwunden war, aber heute vertiefte er sich sofort in seinen Teller und begann die Linguine in sich reinzustopfen, als gäbe es morgen nichts mehr zu essen. Obwohl Konny neugierig war, ließ er Peter zuerst fertig essen. Er kannte seinen Freund und wusste, dass er ihn jetzt nicht löchern durfte. Der würde schon von selbst anfangen, spätestens, wenn der Teller leer ist. Und so war es dann auch. Peter begann langsam und stockend zu erzählen und Konny und Michael hörten gespannt zu, mit leicht aufgeblähten Backen und gesenktem Blick. Sie vermieden es, sich anzuschauen, weil sonst beide vor Lachen sofort auf dem Boden gelegen hätten. Als Peter fertig war brüllten beide los und während sich das ganze Lokal zu ihnen umdrehte, schlug Michael dem vollkommen irritierten Peter kräftig auf die Schulter und sagte:
„Hey Alter, ist doch Ehrensache – du gehst hin! Aber lege dir bitte einen eigenen Skype-Account zu.“
Dann wurde er wieder vom Lachen überwältigt und Peter konnte schließlich auch nicht anders und lachte mit.
Die nächste halbe Stunde wurde Peter mit allen wichtigen Details des Münchener Nachtlebens vertraut gemacht. Was zieht man an, welche Drinks bestellt man, wo parkt man am besten, wie verhält man sich auf einer After Work Party, lauter Dinge von denen weder Peter noch Konny auch nur die geringste Vorstellung hatten, aber Michael war party-, lifestyle- und flirterprobt. Und so kam es, dass Peter am Abend mit einer seiner Meinung nach völlig unpassenden Krawatte durchs Gärtnerplatzviertel fuhr um festzustellen, dass Michaels Stammparkplätze allesamt belegt waren oder sich in Halteverbotszonen befanden, was wiederum die hinter ihm Fahrenden nicht abhielt, trotzdem dort zu parken. Er bedauerte, nicht wie üblich mit der Straßenbahn in die Innenstadt gefahren zu sein, aber Michel hatte ihm versichert, das sei ein absolutes No-go und keine Frau aus der Szene stünde auf Taxi – oder noch schlimmer – Straßenbahn-Heimfahrten.
„Taxi bedeutet, dass man bei ihr übernachten will, was zwar durchaus wahr seinen kann, aber nicht unbedingt den gewünschten Effekt erzielt. Straßenbahn heißt, keine Kohle haben oder sich als verkappter Öko outen und das funktioniert nun mal bei den Mädels dort nicht.“
Er hatte ihm auch einige Tipps mit auf den Weg gegeben, wie er sich verhalten soll, wenn er Julia zum ersten Mal gegenüber steht, hatte ja schließlich eine knappe Stunde mit ihr gechattet und war voll im Bild. Nachdem Peter endlich einen regulären Parkplatz beim Europäischen Patentamt, nur einen knappen Kilometer entfernt, gefunden hatte, machte er sich auf den Weg in die Schrannenhalle. Natürlich hatte sich Michael bei der Weinhandlung Vinobel verabredet und nichts weiter ausgemacht.
„Wenn du so aussiehst wie auf dem Foto, finde ich dich überall in der Schrannenhalle.“
Typisch Michael, irgendwo bewunderungswürdig, aber heute hasste Peter ihn mal wieder.
18. Mai 2007
Mr. Wrong and friends #2
Freunde der Nacht - endlich ist der zweite Teil der Geschichte fertig. Falls ihr euch nicht mehr an die Charaktere erinnert, findet ihr sie hier im Teil 1 von Mr. Wrong and Friends. Inzwischen habe ich auch genug Stoff zusammen, so dass ihr auf die Fortsetzungen nicht mehr so lange warten müsst. Freue mich schon auf eure Mails und jetzt geht's los...
Es war dunkel und zwar richtig dunkel, stockdunkel. Peter setzte sich im Bett auf und fühlte sich unbehaglich. Er konnte seine eigene Hand vor Augen nicht sehen und das beunruhigte ihn. Es gibt diese schönen Nächte, in denen alles in ein silbriges Licht getaucht ist, obwohl kein Mond am Himmel zu sehen ist, aber diese Nacht war anders, schwarz, alles verschluckend, bedrohlich. Früher hatte er sich in solchen Nächten immer eng an seine Frau gekuschelt und gefragt: „Liebling, hast du Angst?“ Meist erhielt er zwar nur ein mürrisches Brummeln als Antwort, aber er wertete das als ja und rückte noch ein wenig näher, natürlich nur um sie zu beschützen. Jetzt versuchte er, an etwas Angenehmes zu denken, an Sex zum Beispiel. ‚In so einer Nacht würde man nicht einmal merken, wenn man mit einem Monster im Bett liegt. Nein, falscher Ansatz, Sex, Sex in der Nacht, schwarze Nacht, pitch black, zwecklos. Er tastete nach dem Lichtschalter, schloss für einen Moment geblendet die Augen und torkelte noch nicht ganz wach zur Wohnungstür, um sich zu versichern, dass sie auch wirklich fest verschlossen und die Kette vorgelegt war. ‚Ich werde langsam paranoid’ schoss es ihm durch den Kopf, ‚ich bin zu lange allein’.
Peter beneidete seine Freunde für deren unerschütterlichen Mut - man könnte es auch als Ignoranz bezeichnen. Einmal hatten sie ein Wochenende auf einer Hütte im Gebirge verbracht, die Michael kostenlos über einen Bekannten organisiert hatte. Den ganzen Tag kreiste Michael fluchend um die Hütte, um einen Netzzugang für sein Handy zu suchen. Und kurz nachdem der Baggerfahrer im Tal das Stromkabel zur Hütte erwischt hatte, wurde es dunkel, verdammt dunkel. Es gab keine Kerzen in der Hütte und auch keine Taschenlampen, zumindest waren im Dunklen keine zu finden. Michaels Fotolicht im Handy versagte eine halbe Stunde später den Dienst, und ein Abstieg ins Tal, wo die Autos standen, war in der Nacht nicht möglich. Als erste Maßnahme entschlossen sich die drei, die reichlich vorhandenen Biervorräte im Kühlschrank vor dem Verderben zu bewahren. Als Peter dann im alkoholisierten Zustand bekannte, dass er sich im Dunklen unwohl fühlt, nahm Konny das sofort zum Anlass, die nächsten beiden Stunden über Special Effects in diversen Horrorfilmen zu referieren und die seiner Meinung nach unglaubwürdigsten Szenen detailliert zu schildern. Auch Michael schien die Dunkelheit nichts auszumachen, dafür war seine Wut auf die alpine Telekommunikations-Infrastruktur viel zu groß.
Nachdem auch der zweite Versuch einzuschlafen diesmal an den Erinnerungen an Konnys Splatter-Filme scheiterte, entschloss sich Peter, den Rechner einzuschalten und nachzuschauen wer um vier Uhr in der Früh im Dating Portal online ist. Oh, anscheinend doch eine ganze Menge einsamer Nachtgestalten. Kaum hatte er sich mit dem originellen und fast anonymen Namen Peter45_muc angemeldet, kam auch schon eine Nachricht rein, sehr zum Erstaunen von Peter von einer Miss Mystery. Ein kurzer Blick ins Profil machte in neugierig. 38 Jahre, Single, lange dunkelbraune Haare, auch auf den Fotos offensichtlich schlank, arbeitet bei einer Bank und hat ähnliche Interessen wie Peter, oder wenigstens ähnliche Interessen wie Peter vorgibt, sie zu haben – vermutlich glaubt er es mittlerweile selbst. Der Text der Nachricht ließ ihn erstarren:
‚Hallo Peter, auch Angst im Dunklen? Liebe Grüße Mystery.’
Ok, klar, das war typisch für Konny. Wer sonst von seinen Bekannten ist um die Zeit noch am Rechner und wer sonst ist mit irgendwelchen Fake-Accounts unterwegs. Außerdem kennt er ja auch sein Verhältnis zur Dunkelheit. Und die Frau auf dem Foto entsprach genau seinem Typ, obwohl, Bank passte irgendwie nicht zu Konny. Nach kurzem Zögern schrieb Peter eine Antwort:
‚Hey Konny, alter Junge, glaubst du im Ernst, ich falle auf deine Spielchen rein?’
Kaum 60 Sekunden später kam eine neue Nachricht an:
‚Ich habe zwar keine Ahnung was du damit sagen willst, aber wenn du auf Jungs stehst ist das auch in Ordnung. Entschuldige, ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Es ist so entsetzlich dunkel heute und ich fürchte mich ein wenig. Deshalb habe ich einen Gesprächspartner gesucht. Mistery.’
Peter war schlagartig hellwach, das war definitiv nicht Konny. Jetzt ja nichts verkehrt machen.
‚Hallo Mystery, tut mir leid, das war dann wohl ein Irrtum, ich dachte, einer meiner Freunde macht sich lustig über mich. Nein, ich habe keine Angst im Dunkeln und werde auf dich aufpassen.’
Klang das zu heroisch? Nee, sie hatte ja damit angefangen. Also abschicken. Peter wartete und traute sich nicht vom Rechner weg, obwohl er jetzt gerne einen Kaffee gemacht hätte. Fünf Minuten passierte nichts, dann die Antwort:
‚Oh, ein Held. Das ist lieb von dir. Dein Foto gefällt mir. Erzähl doch mal was über dich. Hast du einen Messi?’
Peter starrte auf den Bildschirm. Was um Himmels Willen meinte sie bloß mit Messi? Wikipedia listete einen argentinischen Fußballer und das Messie-Syndrom. Mist! Google ergab auch nur Fußball-Links und Berichte über falsch geschriebene Messi-Wohnungen. Drei Minuten vorbei, leicht panisch überflog er die Google-Seiten. Dann auf Seite 4 ein Treffer: Hilfe...mein MSN Messi geht nicht mehr. Ein Uralt-Beitrag von einem verzweifelten Mädel, aber immerhin wusste er jetzt, dass Mystery einen Messenger gemeint hatte. Sie wollte mit ihm chatten. Ihm wurde warm. Warum kannte er sich mit so was nicht aus?
Moment, Michael hatte doch mal Skype auf seinem Rechner installiert, weil er dringend mit irgendjemand Kontakt aufnehmen musste, während sie eigentlich Pokern wollten. Selbstverständlich hatte Peter darauf bestanden, dass Michael den Zugangsnamen und das Kennwort notiert, wenn er schon etwas auf seinem Rechner installieren will. Nach sieben Minuten waren Recherche und Zettelsuche abgeschlossen und Peter schrieb:
‚Hallo Mystery, noch da? Entschuldige, hatte Probleme mit dem DSL-Modem. Ja, ich habe Skype und mein Log-In ist Cool_guy_munich.’
Manchmal hasste er Michael für seine absolut gedankenlose Art, durchs Leben zu streifen. Meistens bewunderte er ihn aber eben dafür. Die Antwort kam prompt:
‚Hey Cool Guy, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Bist am Ende noch ein Draufgänger? *fg* Na dann bis gleich.’
Was heißt jetzt *fg*, dachte Peter, notierte sich das Kürzel und fügte hinzu, Konny fragen. Dann startete er Skype und wurde mit der Meldung ‚Miss Mystery möchte zu Ihren Kontakten hinzugefügt werden’ begrüßt. In der Message Box stand:
‚Hallo Peter, wow, 128 Kontakte, du musst ja beliebt sein.’
Es war dunkel und zwar richtig dunkel, stockdunkel. Peter setzte sich im Bett auf und fühlte sich unbehaglich. Er konnte seine eigene Hand vor Augen nicht sehen und das beunruhigte ihn. Es gibt diese schönen Nächte, in denen alles in ein silbriges Licht getaucht ist, obwohl kein Mond am Himmel zu sehen ist, aber diese Nacht war anders, schwarz, alles verschluckend, bedrohlich. Früher hatte er sich in solchen Nächten immer eng an seine Frau gekuschelt und gefragt: „Liebling, hast du Angst?“ Meist erhielt er zwar nur ein mürrisches Brummeln als Antwort, aber er wertete das als ja und rückte noch ein wenig näher, natürlich nur um sie zu beschützen. Jetzt versuchte er, an etwas Angenehmes zu denken, an Sex zum Beispiel. ‚In so einer Nacht würde man nicht einmal merken, wenn man mit einem Monster im Bett liegt. Nein, falscher Ansatz, Sex, Sex in der Nacht, schwarze Nacht, pitch black, zwecklos. Er tastete nach dem Lichtschalter, schloss für einen Moment geblendet die Augen und torkelte noch nicht ganz wach zur Wohnungstür, um sich zu versichern, dass sie auch wirklich fest verschlossen und die Kette vorgelegt war. ‚Ich werde langsam paranoid’ schoss es ihm durch den Kopf, ‚ich bin zu lange allein’.
Peter beneidete seine Freunde für deren unerschütterlichen Mut - man könnte es auch als Ignoranz bezeichnen. Einmal hatten sie ein Wochenende auf einer Hütte im Gebirge verbracht, die Michael kostenlos über einen Bekannten organisiert hatte. Den ganzen Tag kreiste Michael fluchend um die Hütte, um einen Netzzugang für sein Handy zu suchen. Und kurz nachdem der Baggerfahrer im Tal das Stromkabel zur Hütte erwischt hatte, wurde es dunkel, verdammt dunkel. Es gab keine Kerzen in der Hütte und auch keine Taschenlampen, zumindest waren im Dunklen keine zu finden. Michaels Fotolicht im Handy versagte eine halbe Stunde später den Dienst, und ein Abstieg ins Tal, wo die Autos standen, war in der Nacht nicht möglich. Als erste Maßnahme entschlossen sich die drei, die reichlich vorhandenen Biervorräte im Kühlschrank vor dem Verderben zu bewahren. Als Peter dann im alkoholisierten Zustand bekannte, dass er sich im Dunklen unwohl fühlt, nahm Konny das sofort zum Anlass, die nächsten beiden Stunden über Special Effects in diversen Horrorfilmen zu referieren und die seiner Meinung nach unglaubwürdigsten Szenen detailliert zu schildern. Auch Michael schien die Dunkelheit nichts auszumachen, dafür war seine Wut auf die alpine Telekommunikations-Infrastruktur viel zu groß.
Nachdem auch der zweite Versuch einzuschlafen diesmal an den Erinnerungen an Konnys Splatter-Filme scheiterte, entschloss sich Peter, den Rechner einzuschalten und nachzuschauen wer um vier Uhr in der Früh im Dating Portal online ist. Oh, anscheinend doch eine ganze Menge einsamer Nachtgestalten. Kaum hatte er sich mit dem originellen und fast anonymen Namen Peter45_muc angemeldet, kam auch schon eine Nachricht rein, sehr zum Erstaunen von Peter von einer Miss Mystery. Ein kurzer Blick ins Profil machte in neugierig. 38 Jahre, Single, lange dunkelbraune Haare, auch auf den Fotos offensichtlich schlank, arbeitet bei einer Bank und hat ähnliche Interessen wie Peter, oder wenigstens ähnliche Interessen wie Peter vorgibt, sie zu haben – vermutlich glaubt er es mittlerweile selbst. Der Text der Nachricht ließ ihn erstarren:
‚Hallo Peter, auch Angst im Dunklen? Liebe Grüße Mystery.’
Ok, klar, das war typisch für Konny. Wer sonst von seinen Bekannten ist um die Zeit noch am Rechner und wer sonst ist mit irgendwelchen Fake-Accounts unterwegs. Außerdem kennt er ja auch sein Verhältnis zur Dunkelheit. Und die Frau auf dem Foto entsprach genau seinem Typ, obwohl, Bank passte irgendwie nicht zu Konny. Nach kurzem Zögern schrieb Peter eine Antwort:
‚Hey Konny, alter Junge, glaubst du im Ernst, ich falle auf deine Spielchen rein?’
Kaum 60 Sekunden später kam eine neue Nachricht an:
‚Ich habe zwar keine Ahnung was du damit sagen willst, aber wenn du auf Jungs stehst ist das auch in Ordnung. Entschuldige, ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Es ist so entsetzlich dunkel heute und ich fürchte mich ein wenig. Deshalb habe ich einen Gesprächspartner gesucht. Mistery.’
Peter war schlagartig hellwach, das war definitiv nicht Konny. Jetzt ja nichts verkehrt machen.
‚Hallo Mystery, tut mir leid, das war dann wohl ein Irrtum, ich dachte, einer meiner Freunde macht sich lustig über mich. Nein, ich habe keine Angst im Dunkeln und werde auf dich aufpassen.’
Klang das zu heroisch? Nee, sie hatte ja damit angefangen. Also abschicken. Peter wartete und traute sich nicht vom Rechner weg, obwohl er jetzt gerne einen Kaffee gemacht hätte. Fünf Minuten passierte nichts, dann die Antwort:
‚Oh, ein Held. Das ist lieb von dir. Dein Foto gefällt mir. Erzähl doch mal was über dich. Hast du einen Messi?’
Peter starrte auf den Bildschirm. Was um Himmels Willen meinte sie bloß mit Messi? Wikipedia listete einen argentinischen Fußballer und das Messie-Syndrom. Mist! Google ergab auch nur Fußball-Links und Berichte über falsch geschriebene Messi-Wohnungen. Drei Minuten vorbei, leicht panisch überflog er die Google-Seiten. Dann auf Seite 4 ein Treffer: Hilfe...mein MSN Messi geht nicht mehr. Ein Uralt-Beitrag von einem verzweifelten Mädel, aber immerhin wusste er jetzt, dass Mystery einen Messenger gemeint hatte. Sie wollte mit ihm chatten. Ihm wurde warm. Warum kannte er sich mit so was nicht aus?
Moment, Michael hatte doch mal Skype auf seinem Rechner installiert, weil er dringend mit irgendjemand Kontakt aufnehmen musste, während sie eigentlich Pokern wollten. Selbstverständlich hatte Peter darauf bestanden, dass Michael den Zugangsnamen und das Kennwort notiert, wenn er schon etwas auf seinem Rechner installieren will. Nach sieben Minuten waren Recherche und Zettelsuche abgeschlossen und Peter schrieb:
‚Hallo Mystery, noch da? Entschuldige, hatte Probleme mit dem DSL-Modem. Ja, ich habe Skype und mein Log-In ist Cool_guy_munich.’
Manchmal hasste er Michael für seine absolut gedankenlose Art, durchs Leben zu streifen. Meistens bewunderte er ihn aber eben dafür. Die Antwort kam prompt:
‚Hey Cool Guy, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Bist am Ende noch ein Draufgänger? *fg* Na dann bis gleich.’
Was heißt jetzt *fg*, dachte Peter, notierte sich das Kürzel und fügte hinzu, Konny fragen. Dann startete er Skype und wurde mit der Meldung ‚Miss Mystery möchte zu Ihren Kontakten hinzugefügt werden’ begrüßt. In der Message Box stand:
‚Hallo Peter, wow, 128 Kontakte, du musst ja beliebt sein.’
3. April 2007
Ein komischer Typ...
Dank Takarinas Podcast #52 (auf ihrer brandneuen Homepage) bin ich auf egoload.de gestoßen und habe jetzt endlich die Bestätigung, warum ich so bin wie ich bin, ja dass ich sogar gar nicht anders kann. Der Test geht auf die Grundausprägungen zurück, die Carl Gustav Jung in seiner Typologie festgelegt hat. Die Damen Meyers und Briggs haben das System später so weit verfeinert, dass man für den Test richtig Kohle verlangen kann. Aber auch der achtseitige Fragebogen, den ich mal im Rahmen eines Assessments für 120 € ausgefüllt habe, brachte kein anderes Ergebnis als der Vier-Fragen-Test von egoload. Vorbei die Zeit der Selbstzweifel und der ewigen Frage nach dem warum – ich bin halt so, es ist meine Veranlagung, meine Typ - ich bin ein „Verträumter Idealist“, kurz ein VI (nein das nichts mit sechs zu tun)!
Bei einem Blogger-Kollegen habe ich gelesen, der VI sei eine verkrachte Existenz, da ist was dran, obwohl ich es nicht ganz so extrem ausdrücken würde. Wir sind halt einfach an den profanen Dingen des Alltags nicht sonderlich interessiert, Geld ist nur wichtig, soweit wir es zum Leben unbedingt brauchen und eigentlich haben wir meistens höhere Ziele. VIs schreiben gerne, das wird im Profil immer wieder erwähnt, und deshalb ist zumindest die Blogosphäre voll von uns, obwohl wir sonst eher eine Minderheit darstellen. Von den Top 100 Blogs auf egoload sind nicht weniger als 22 von VIs, die Analytischen Denker kommen mit 12 auf Platz 2, die Zahlen sprechen für sich. Mein Blog ist leider noch nicht dabei, dafür habe ich zu wenige Links, aber mit so profanen Dingen wie Pageranking und Verlinkung beschäftige ich mich halt nicht so gerne. „Tendenziell lebt er (der VI) nach der Devise ‚das Genie beherrscht das Chaos’ - was in der Regel auch zutrifft, [...]“ heißt es in der allgemeinen Typ-Beschreibung, und das ist nicht von der Hand zu weisen. Chaos zieht mich magisch an.
Auch in der sehr umfangreichen Erläuterung zum Berufsleben habe ich mich einige Male wieder erkannt. „[...] stark von Routine geprägte Berufsfelder bringen deine Stärken nicht so gut zur Geltung. Dazu ist dein Typus zu wenig ‚praktisch’ orientiert. Die Beschäftigung mit trockenen Fakten, tagein, tagaus gleich bleibende Arbeitsabläufe und die Notwendigkeit, sich dauernd mit Details auseinanderzusetzen - alles das ist für dich eine Qual. Viel besser bist du darin, den Sinn im großen Ganzen zu suchen, zukünftige Möglichkeiten zu entdecken und positive Veränderungen in Gang zu bringen. Dabei verlässt du dich vorzugsweise auf deine Intuition.“ Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen.
Der dritte Teil widmet sich der Liebe und Partnersuche. In der Bevölkerung sind wir unterdurchschnittlich vertreten und somit quasi zum Aussterben verurteilt, weil ja auch geeignete Partner entsprechend unterrepräsentiert sind. Aber irgendwie haben wir es im Laufe der Jahrhunderte wohl doch geschafft, uns mit unpassenden Partnern fortzupflanzen. Leider trifft auch hier einiges genau zu. „Du gehörst zu den harmoniebedürftigsten Dating-Typen überhaupt. [...] Daher fällt es dir oft schwer, deine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen oder andere in ihre Schranken zu weisen. Speziell zu Beginn einer Beziehung besteht die Gefahr, dass du dein Gegenüber idealisierst. Das Risiko einer späteren Enttäuschung ist daher besonders für dich sehr hoch.“ So’n Mist, so hatte ich mich nicht gesehen, aber jetzt wird mir einiges klar. Diese Rubrik stand beim 120-Euro-Test irgendwie nicht zur Verfügung. Na ja, macht nix, wir sind schließlich auch gnadenlose Optimisten. Wird schon schief gehen.
Bei einem Blogger-Kollegen habe ich gelesen, der VI sei eine verkrachte Existenz, da ist was dran, obwohl ich es nicht ganz so extrem ausdrücken würde. Wir sind halt einfach an den profanen Dingen des Alltags nicht sonderlich interessiert, Geld ist nur wichtig, soweit wir es zum Leben unbedingt brauchen und eigentlich haben wir meistens höhere Ziele. VIs schreiben gerne, das wird im Profil immer wieder erwähnt, und deshalb ist zumindest die Blogosphäre voll von uns, obwohl wir sonst eher eine Minderheit darstellen. Von den Top 100 Blogs auf egoload sind nicht weniger als 22 von VIs, die Analytischen Denker kommen mit 12 auf Platz 2, die Zahlen sprechen für sich. Mein Blog ist leider noch nicht dabei, dafür habe ich zu wenige Links, aber mit so profanen Dingen wie Pageranking und Verlinkung beschäftige ich mich halt nicht so gerne. „Tendenziell lebt er (der VI) nach der Devise ‚das Genie beherrscht das Chaos’ - was in der Regel auch zutrifft, [...]“ heißt es in der allgemeinen Typ-Beschreibung, und das ist nicht von der Hand zu weisen. Chaos zieht mich magisch an.
Auch in der sehr umfangreichen Erläuterung zum Berufsleben habe ich mich einige Male wieder erkannt. „[...] stark von Routine geprägte Berufsfelder bringen deine Stärken nicht so gut zur Geltung. Dazu ist dein Typus zu wenig ‚praktisch’ orientiert. Die Beschäftigung mit trockenen Fakten, tagein, tagaus gleich bleibende Arbeitsabläufe und die Notwendigkeit, sich dauernd mit Details auseinanderzusetzen - alles das ist für dich eine Qual. Viel besser bist du darin, den Sinn im großen Ganzen zu suchen, zukünftige Möglichkeiten zu entdecken und positive Veränderungen in Gang zu bringen. Dabei verlässt du dich vorzugsweise auf deine Intuition.“ Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen.
Der dritte Teil widmet sich der Liebe und Partnersuche. In der Bevölkerung sind wir unterdurchschnittlich vertreten und somit quasi zum Aussterben verurteilt, weil ja auch geeignete Partner entsprechend unterrepräsentiert sind. Aber irgendwie haben wir es im Laufe der Jahrhunderte wohl doch geschafft, uns mit unpassenden Partnern fortzupflanzen. Leider trifft auch hier einiges genau zu. „Du gehörst zu den harmoniebedürftigsten Dating-Typen überhaupt. [...] Daher fällt es dir oft schwer, deine eigenen Bedürfnisse durchzusetzen oder andere in ihre Schranken zu weisen. Speziell zu Beginn einer Beziehung besteht die Gefahr, dass du dein Gegenüber idealisierst. Das Risiko einer späteren Enttäuschung ist daher besonders für dich sehr hoch.“ So’n Mist, so hatte ich mich nicht gesehen, aber jetzt wird mir einiges klar. Diese Rubrik stand beim 120-Euro-Test irgendwie nicht zur Verfügung. Na ja, macht nix, wir sind schließlich auch gnadenlose Optimisten. Wird schon schief gehen.
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