18. Mai 2007

Mr. Wrong and friends #2

Freunde der Nacht - endlich ist der zweite Teil der Geschichte fertig. Falls ihr euch nicht mehr an die Charaktere erinnert, findet ihr sie hier im Teil 1 von Mr. Wrong and Friends. Inzwischen habe ich auch genug Stoff zusammen, so dass ihr auf die Fortsetzungen nicht mehr so lange warten müsst. Freue mich schon auf eure Mails und jetzt geht's los...

Es war dunkel und zwar richtig dunkel, stockdunkel. Peter setzte sich im Bett auf und fühlte sich unbehaglich. Er konnte seine eigene Hand vor Augen nicht sehen und das beunruhigte ihn. Es gibt diese schönen Nächte, in denen alles in ein silbriges Licht getaucht ist, obwohl kein Mond am Himmel zu sehen ist, aber diese Nacht war anders, schwarz, alles verschluckend, bedrohlich. Früher hatte er sich in solchen Nächten immer eng an seine Frau gekuschelt und gefragt: „Liebling, hast du Angst?“ Meist erhielt er zwar nur ein mürrisches Brummeln als Antwort, aber er wertete das als ja und rückte noch ein wenig näher, natürlich nur um sie zu beschützen. Jetzt versuchte er, an etwas Angenehmes zu denken, an Sex zum Beispiel. ‚In so einer Nacht würde man nicht einmal merken, wenn man mit einem Monster im Bett liegt. Nein, falscher Ansatz, Sex, Sex in der Nacht, schwarze Nacht, pitch black, zwecklos. Er tastete nach dem Lichtschalter, schloss für einen Moment geblendet die Augen und torkelte noch nicht ganz wach zur Wohnungstür, um sich zu versichern, dass sie auch wirklich fest verschlossen und die Kette vorgelegt war. ‚Ich werde langsam paranoid’ schoss es ihm durch den Kopf, ‚ich bin zu lange allein’.

Peter beneidete seine Freunde für deren unerschütterlichen Mut - man könnte es auch als Ignoranz bezeichnen. Einmal hatten sie ein Wochenende auf einer Hütte im Gebirge verbracht, die Michael kostenlos über einen Bekannten organisiert hatte. Den ganzen Tag kreiste Michael fluchend um die Hütte, um einen Netzzugang für sein Handy zu suchen. Und kurz nachdem der Baggerfahrer im Tal das Stromkabel zur Hütte erwischt hatte, wurde es dunkel, verdammt dunkel. Es gab keine Kerzen in der Hütte und auch keine Taschenlampen, zumindest waren im Dunklen keine zu finden. Michaels Fotolicht im Handy versagte eine halbe Stunde später den Dienst, und ein Abstieg ins Tal, wo die Autos standen, war in der Nacht nicht möglich. Als erste Maßnahme entschlossen sich die drei, die reichlich vorhandenen Biervorräte im Kühlschrank vor dem Verderben zu bewahren. Als Peter dann im alkoholisierten Zustand bekannte, dass er sich im Dunklen unwohl fühlt, nahm Konny das sofort zum Anlass, die nächsten beiden Stunden über Special Effects in diversen Horrorfilmen zu referieren und die seiner Meinung nach unglaubwürdigsten Szenen detailliert zu schildern. Auch Michael schien die Dunkelheit nichts auszumachen, dafür war seine Wut auf die alpine Telekommunikations-Infrastruktur viel zu groß.

Nachdem auch der zweite Versuch einzuschlafen diesmal an den Erinnerungen an Konnys Splatter-Filme scheiterte, entschloss sich Peter, den Rechner einzuschalten und nachzuschauen wer um vier Uhr in der Früh im Dating Portal online ist. Oh, anscheinend doch eine ganze Menge einsamer Nachtgestalten. Kaum hatte er sich mit dem originellen und fast anonymen Namen Peter45_muc angemeldet, kam auch schon eine Nachricht rein, sehr zum Erstaunen von Peter von einer Miss Mystery. Ein kurzer Blick ins Profil machte in neugierig. 38 Jahre, Single, lange dunkelbraune Haare, auch auf den Fotos offensichtlich schlank, arbeitet bei einer Bank und hat ähnliche Interessen wie Peter, oder wenigstens ähnliche Interessen wie Peter vorgibt, sie zu haben – vermutlich glaubt er es mittlerweile selbst. Der Text der Nachricht ließ ihn erstarren:
‚Hallo Peter, auch Angst im Dunklen? Liebe Grüße Mystery.’

Ok, klar, das war typisch für Konny. Wer sonst von seinen Bekannten ist um die Zeit noch am Rechner und wer sonst ist mit irgendwelchen Fake-Accounts unterwegs. Außerdem kennt er ja auch sein Verhältnis zur Dunkelheit. Und die Frau auf dem Foto entsprach genau seinem Typ, obwohl, Bank passte irgendwie nicht zu Konny. Nach kurzem Zögern schrieb Peter eine Antwort:
‚Hey Konny, alter Junge, glaubst du im Ernst, ich falle auf deine Spielchen rein?’
Kaum 60 Sekunden später kam eine neue Nachricht an:
‚Ich habe zwar keine Ahnung was du damit sagen willst, aber wenn du auf Jungs stehst ist das auch in Ordnung. Entschuldige, ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Es ist so entsetzlich dunkel heute und ich fürchte mich ein wenig. Deshalb habe ich einen Gesprächspartner gesucht. Mistery.’

Peter war schlagartig hellwach, das war definitiv nicht Konny. Jetzt ja nichts verkehrt machen.
‚Hallo Mystery, tut mir leid, das war dann wohl ein Irrtum, ich dachte, einer meiner Freunde macht sich lustig über mich. Nein, ich habe keine Angst im Dunkeln und werde auf dich aufpassen.’
Klang das zu heroisch? Nee, sie hatte ja damit angefangen. Also abschicken. Peter wartete und traute sich nicht vom Rechner weg, obwohl er jetzt gerne einen Kaffee gemacht hätte. Fünf Minuten passierte nichts, dann die Antwort:
‚Oh, ein Held. Das ist lieb von dir. Dein Foto gefällt mir. Erzähl doch mal was über dich. Hast du einen Messi?’
Peter starrte auf den Bildschirm. Was um Himmels Willen meinte sie bloß mit Messi? Wikipedia listete einen argentinischen Fußballer und das Messie-Syndrom. Mist! Google ergab auch nur Fußball-Links und Berichte über falsch geschriebene Messi-Wohnungen. Drei Minuten vorbei, leicht panisch überflog er die Google-Seiten. Dann auf Seite 4 ein Treffer: Hilfe...mein MSN Messi geht nicht mehr. Ein Uralt-Beitrag von einem verzweifelten Mädel, aber immerhin wusste er jetzt, dass Mystery einen Messenger gemeint hatte. Sie wollte mit ihm chatten. Ihm wurde warm. Warum kannte er sich mit so was nicht aus?

Moment, Michael hatte doch mal Skype auf seinem Rechner installiert, weil er dringend mit irgendjemand Kontakt aufnehmen musste, während sie eigentlich Pokern wollten. Selbstverständlich hatte Peter darauf bestanden, dass Michael den Zugangsnamen und das Kennwort notiert, wenn er schon etwas auf seinem Rechner installieren will. Nach sieben Minuten waren Recherche und Zettelsuche abgeschlossen und Peter schrieb:
‚Hallo Mystery, noch da? Entschuldige, hatte Probleme mit dem DSL-Modem. Ja, ich habe Skype und mein Log-In ist Cool_guy_munich.’
Manchmal hasste er Michael für seine absolut gedankenlose Art, durchs Leben zu streifen. Meistens bewunderte er ihn aber eben dafür. Die Antwort kam prompt:
‚Hey Cool Guy, damit hätte ich jetzt nicht gerechnet. Bist am Ende noch ein Draufgänger? *fg* Na dann bis gleich.’
Was heißt jetzt *fg*, dachte Peter, notierte sich das Kürzel und fügte hinzu, Konny fragen. Dann startete er Skype und wurde mit der Meldung ‚Miss Mystery möchte zu Ihren Kontakten hinzugefügt werden’ begrüßt. In der Message Box stand:
‚Hallo Peter, wow, 128 Kontakte, du musst ja beliebt sein.’

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